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Kommentar: "Es wird Zeit, dass sich mehr der Ernährerrolle verweigern"

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Kommentar: "Es wird Zeit, dass sich mehr der Ernährerrolle verweigern"

Beitrag von kjh-mov »

"Es wird Zeit, dass sich mehr der Ernährerrolle verweigern"
Ein Kommentar von Caroline Brandes, veröffentlicht am 08.02.2019 11:15 Uhr

PapaPicknick kommentiert einen Beitrag in welt.de, in der berichtet wird, dass nach "harten Verhandlungen" "die EU-Kommission zehn Papa-Baby-Tage nach der Geburt durchgesetzt hat. 1:

https://twitter.com/PapaPicknick/status ... 5039203329
"Gerade 10 Tage Vaterschaftsurlaub ist also die Beteiligung des Vaters wert. Genau: Männer sollen schuften, die Sozialkassen füllen, Wehrdienste leisten - aber keine eigenen Forderungen stellen."
, schimpft PapaPicknick und setzt nach,
dass "(es) [...] Zeit [wird], dass sich mehr der Ernährer-Rolle verweigern".
Konfrontationscheck

Haben Mütter Mutterschaftsurlaub?

Auf JuraForum steht hierzu Folgendes:
Der Begriff Mutterschaftsurlaub wird heutzutage umgangssprachlich für die Elternzeit verwendet. Später wurde er zunächst in Erziehungsurlaub und danach in Elternzeit umbenannt. Der Begriff bezeichnet Beschäftigungsverbote für Frauen vor und nach der Entbindung. Dadurch sollen Gefahren abgewendet werden, welche den betroffenen Frauen durch die Teilnahme am Arbeitsleben entstehen können.2
Es handelt sich beim umgangssprachlichen Mutterschaftsurlaub also um keinen Urlaub im eigentlichen Sinn für die betroffenen Frauen, sondern um ein Beschäftigungsverbot für Frauen vor und nach der Entbindung, um Gefahren abwenden zu können.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Möglichkeit einer Schwangerschaft für Frauen auch ein Hemmnis auf dem Arbeitsmarkt darstellt, für potentiell werdende Väter besteht ein derartiges Hemmnis nicht.
Der Anspruch auf Mutterschaftsurlaub in Deutschland besteht über einen Zeitraum von 14 Wochen. Davon sind 6 Wochen vor dem potentiellen Entbindungstermin zu nehmen und die restlichen 8 Wochen danach.3
Offensichtlich möchte Papapicknick, dass Väter mit Müttern gleichgestellt werden und wie Mütter ein Beschäftigungsverbot vor und nach der Entbindung ihres Kindes erhalten. Nur macht das Sinn? Sind werdende Väter vor und nach der Entbindung Gefahren ausgesetzt, die ein Berufsverbot nach sich ziehen müssen? Haben zudem alle Frauen Mutterschaftsurlaub?

Was ist mit den selbstständigen Frauen?

Hier mal ein Sachverhalt aus meinem eigenen Leben. Ich war zum Zeitpunkt der Geburt meiner beiden Söhne freiberuflich tätig. Einen Tag vor der Hausgeburt meines ersten Sohnes war ich noch beruflich unterwegs, um einen Auftrag zu vergeben. Das Unternehmen rief mich am Tag der Geburt gerade eine Stunde später an, um mit mir seinen Kostenanschlag zu besprechen. Danach ging es so weiter.

Mein Mutterschaftsurlaub betrug somit 0 Tage.

Freiberuflich tätige Frauen haben im Allgemeinen gar keine Möglichkeit, (längere Zeit) pausieren zu können. Hierfür müsste es ansonsten einen kostenlosen Service geben, der die Tätigkeiten ersatzweise übernimmt und zudem müsste der durchschnittliche Verdienst vom Staat übernommen werden.

Machen Mütter tatsächlich Mutterschaftsurlaub?

Nach der Geburt eines Kindes leisten Mütter Carearbeit, sie stillen ihr Kind, wickeln es, wiegen es, fördern es uvm. Gleichzeitig befinden sie sich in der Anfangsphase noch im Wochenbett4, sind somit schutzbedürftig, derweil ihnen die Versorgung des Kindes zusätzliche Kraft abverlangt.
"Durch die Geburt verliert die Frau, die während der Schwangerschaft normalerweise 10 bis 12 kg zugenommen hat, etwa 6 kg: circa 3300 g für das Kind, 600 g Plazenta, 800 bis 1000 g Fruchtwasser sowie etwa 1000 g durch Flüssigkeitsverlust aus Schweiß und Atmung bei der Geburtsarbeit. Im frühen Wochenbett verliert die Mutter weitere 3 bis 4 kg infolge der Rückbildung der Gebärmutter (Uterusinvolution), Reduktion des Blutvolumens sowie Ausscheidung von eingelagertem Gewebewasser durch Harn und Schweiß. Ab dem 10. Tag bis zum Ende der Stillzeit sinkt das Gewicht nochmals aufgrund der Reduktion des Brustdrüsengewebes, durch die vollständige Uterus­involution und individuell durch Einschmelzung von in der Schwangerschaft aufgebautem Depotfett." 5
Finanziell werden Mütter unterschiedlich behandelt (siehe hierzu Elternzeit), so dass der Wert einer Mutter und ihrer Kinder an arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien geknüpft ist.

Haben Väter Elternzeit?

Ein klares JEIN. Aber nicht einmal jede Mutter hat Anspruch auf "Elternzeit". Ausnahmeregelungen bestehen hingegen für Beamte, Soldaten und Richter.
Als „Elternzeit“ wird jener Zeitraum bezeichnet, in dem Eltern eines neugeborenen Kindes, die einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgehen, sich von dieser Tätigkeit freistellen lassen dürfen. Dieses Recht steht auch Auszubildenden sowie Personen zu, die einer Heimarbeit nachgehen. Auch Beamte, Soldaten und Richter, die zwar eigentlich nicht als Arbeitnehmer gelten, haben Anspruch auf Elternzeit, allerdings wird diese nicht nach dem BEEG geregelt, sondern nach Rechtsverordnungen.

Gemäß dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) haben sowohl die Mütter als auch die Väter einen rechtlichen Anspruch auf die Elternzeit, die mit der Geburt ihres Kindes beginnt und mit dessen dritten Geburtstag ihres Kindes endet. Dabei bleibt den Elternteilen überlassen, ob sie diesen Rechtsanspruch für einen gewissen Zeitraum gemeinsam oder separat wahrnehmen möchten.6
Offensichtlich ist das Elterngeld eine Maßnahme, die ausschließlich an erwerbstätige Menschen ausgerichtet ist. Arbeitslosengeldempfänger (I und II) gehören nicht zu den Adressaten, die als Eltern unterstützt werden. Auch Schüler, Studenten sowie Praktikanten gehören nicht zum erlauchten Kreis.
Arbeitslosengeldempfänger (I und II), Schüler, Studenten sowie Praktikanten gelten nicht als Arbeitnehmer; somit besteht bei ihnen kein Anspruch auf Elternzeit.7
Festzuhalten ist zudem, dass das Elterngeld vom Gehalt vor der Elternzeit abhängig ist.
Während der Elternzeit erhält man Elterngeld und dazu ist zuvor die Berechnung des Gehalts vor der Elternzeit ausschlaggebend.8
Bereits aufgrund dieser "arbeitsmarktpolitischen" Maßnahme werden Kinder dieser Eltern zum Spielball der Politik. Unter diesen Voraussetzungen werden ihre Biografien bereits vorgeschrieben.

Dies erinnert mich sehr an den Cartoon "Es kam nur darauf an, in der richtigen Schachtel zu sitzen."9. Kinder wirtschaftlich besser gestellter Eltern sind zum "liebhaben und streicheln", deren Eltern nicht einer "nichtselbständigen Tätigkeit" nachgehen, außer natürlich Beamte, Soldaten und Richter dürfen sich als Haifischfutter betrachten.

So stehen sich "Haifischfutter"-Kinder grundsätzlich schlechter als politisch erwünschte "liebhaben und streicheln"-Kinder. Die Chance dieser Kinder, zukünftig beruflich besser verdienen zu können, sind somit erschwert, so dass damit zu rechnen ist, dass auch ihre Kinder nicht zu den auserwählten Eltern gehören werden, die mit staatlicher Unterstützung ihren Kindern finanziell besser zur Seite stehen können.

"Haifischfutter"-Eltern und Kinder sind somit ganz anderen Bedingungen ausgeliefert. Mütter und Väter von "Haifischfutter"-Kindern sind hier gleichermaßen benachteiligt.

Zu welcher Gruppe gehört PapaPicknick? Zu der Gruppe der "Haifischfutter"-Kinder oder der "Liebhaben und Streicheln"-Kinder? Offensichtlich zur letzteren Gruppe.

Weitere Infos zum Thema "Elternzeit für Väter" gibt es hier.
Vielen Vätern ist gar nicht bewusst, dass sie bei der Geburt eines Kindes ebenfalls ein Recht auf Elternzeit haben und zwar in der Menge, wie sie den Müttern zusteht. Das heißt, du als Vater kannst innerhalb der ersten 8 Lebensjahre insgesamt drei Jahre Elternzeit nehmen und diese auf bis zu drei Teile splitten.10
Müssen Männer Wehrdienst leisten?

Eine Wehrpflicht besteht seit dem 01.07.2011 nicht mehr. Sie ist somit seit dem eine Freiwilligenarmee. Frauen und Männer bzw. Jugendliche ab dem 17ten Lebensjahr können freiwillig Wehrdienst leisten.
Die Wehrpflicht wurde durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes betrug seit dem 1. Januar 2011 sechs Monate. Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt.11
Die Bundeswehr sucht daher mittlerweile händeringend nach Nachwuchs. "Haifischfutter"-Kindern könnten hier erneut zum Spielball der Politik werden, ohne dass in den Stellenanzeigen der Bundeswehr erwähnt wird, dass sie dafür auch "verfüttert" werden könnten.
"Sie arbeiten bei einem anerkannten Arbeitgeber in sicheren wirtschaftlichen Verhältnissen.12
Es wird Zeit, dass sich mehr der Ernährer-Rolle verweigern?

PapaPicknick ruft in seinem Tweet am Schluss dazu auf, "dass sich mehr der Ernährer-Rolle verweigern". Ist seine Forderung gerechtfertigt angesichts der realen Bedingungen? Ist seine Gruppe der offensichtlich nichtselbstständig erwerbstätigen Männer tatsächlich so benachteiligt?

Offensichtlich nicht, wenn man sich die Regelungen zur Elternzeit ansieht. Ihnen ist es ebenso möglich, in Elternzeit zu gehen. Der Väterurlaub gibt ihnen jetzt zusätzlich die Möglichkeit bei Geburt ihres Kindes unabhängig davon, ob sie in Elternzeit gehen oder nicht, das Neugeborene mitversorgen und die frisch gewordene Mutter unterstützen zu können.

Auffallend ist offenbar ein Sachverhalt: Immer mehr Väter zahlen keinen Unterhalt für ihre Kindern und lassen somit Mütter mit der finanziellen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder bei Trennung und Scheidung allein. So sind immer mehr Mütter auf Unterhaltsvorschuss13 angewiesen. Ende März 2018 bezogen immerhin ca. 714.000 Kinder12 im Alter bis unter 18 Jahre Unterhaltsvorschuss.

Zur gleichen Zeit kämpft eine kleine Gruppe der sogenannten "Väterrechtler" für das Wechselmodell, offensichtlich mit dem Blick darauf, dass Mütter von Kinder u.a. auch unter 3 Jahren keinen Anspruch auf finanzielle Zuwendung für sich und ihre Kinder erhalten können. So kursieren im Internet Videos, in denen sogar von "Kindeswohlgefährdung per Gesetz" gesprochen wird, wenn eine Mutter für ihr Kind Barunterhalt erhält, weil das Kind bei ihr im sogenannten Residenzmodell lebt.

Immer mehr Väter tragen keinen einzigen Cent zum Kindesunterhalt bei, stattdessen entfalten einige Väter sogar Aktivitäten, um sich ihrer Unterhaltspflicht entziehen zu können. Wie dies u. a. geschieht, werde ich bei Zeiten auf diesem Portal an einem Fall darstellen.

Fazit:

Es gibt in der Tat einiges in der Familienpolitik zu tun, um Familien besser zu stellen. Die Probleme bestehen aber ganz offensichtlich an ganz anderer Stelle als gerade beim Väterurlaub, so dass es nicht nachvollziehbar ist, dass PapaPicknick Väter schreibt
dass "(es) [...] Zeit [wird], dass sich mehr der Ernährer-Rolle verweigern".15
Die Konsequenzen wären, dass Babys und frischgebackene Mütter ohne finanzielle Unterstützung darstehen würden, so dass sie dadurch der Sanktionsmühle "Hartz IV" zum Frass vorgeworfen würden.

Mütter und insbesondere Alleinerziehende müssen bereits jetzt eine große Last alleine tragen, vor allem dann, wenn sie nicht zur arbeitsmarktpolitisch geförderten Gruppe gehören. Kinderarmut ist somit offensichtlich ein in Kauf genommenes Instrumentarium, um Eltern anzuhalten, stets arbeiten zu gehen, auch wenn Kinder betreuungsbedürftig sind bzw. ihr Kind erst dann zu bekommen, wenn sie sich beruflich etabliert haben. Nur leider werden aufgrund der falschen Vorgaben arme Kinder eher zu armen Erwachsenen werden.

Denn gegen Armut hilft nur Geld. Und nichts anderes.

Fußnoten:
  1. PapaPicknick, Twitter.com, 04.02.2019 7:04 Uhr, https://twitter.com/PapaPicknick/status/1092453795039203329, zuletzt aufgerufen am 07.02.2019
  2. Mutterschaftsurlaub, JuraForum.de, https://www.juraforum.de/lexikon/urlaub-mutterschaft, zuletzt aufgerufen am 07.02.2019
  3. Ebd.
  4. Wochenbett, Zeit der Rückbildung und Neufindung, Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 40/2012, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-402012/zeit-der-rueckbildung-und-neufindung/, zuletzt aufgerufen am 27.07.2019
  5. Ebd.
  6. Elternzeit, JuraForum.de, https://www.juraforum.de/lexikon/elternzeit, zuletzt aufgerufen am 07.02.2019
  7. Ebd.
  8. Ebd.
  9. Die richtige Schachtel, Cartoon, https://www.schlabonski.de/dierichtigeschachtel.html, zuletzt aufgerufen am 08.02.2019
  10. Elternzeit, elterngeld.de, https://www.elterngeld.de/elternzeit-vater/#gref, zuletzt aufgerufen am 08.02.2019
  11. Bundeswehr, wikipedia.de, https://de.wikipedia.org/wiki/Freiwilliger_Wehrdienst, zuletzt aufgerufen am 08.02.2019
  12. Bundeswehr, Stellenanzeige,https://www.bundeswehrkarriere.de/fwdl/140950, zuletzt aufgeruffen am 08.02.2019
  13. Caroline Brandes, "Verletzung der Unterhaltspflicht", 2.10.2018, 07:08 Uhr, https://www.kjh-move.de/viewtopic.php?f=155&t=129#p130, zuletzt aufgerufen am 06.02.2019
  14. Zusätzlich 300.000 Kinder erhalten Unterhaltsvorschuss, ZEIT ONLINE, 17. Juli 2018, 10:39 Uhr, https://www.zeit.de/gesellschaft/famili ... ch-bericht, zuletzt aufgerufen am 22.10.2018
  15. PapaPicknick, Twitter.com, 04.02.2019 7:04 Uhr, https://twitter.com/PapaPicknick/status/1092453795039203329, zuletzt aufgerufen am 07.02.2019
Wortzählung: 1974
"Wer nichts weiß, muss alles glauben."
Marie von Ebner-Eschenbach

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