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Bundestagsrede von Silke Launert: Kinderrechte sind Menschenrechte (25.09.2015)

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Bundestagsrede von Silke Launert: Kinderrechte sind Menschenrechte (25.09.2015)

Beitrag von kjh-mov »

Bundestagsrede von Silke Launert: Kinderrechte sind Menschenrechte (25.09.2015)

Um die Rede1 von Frau Dr. Launert besser einordnen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass "die UN Kinderrechtskonvention die internationale Anerkennung der Menschenrechte von Kindern festschreibt und in 54 Artikeln völkerrechtlich verbindliche Mindeststandards zum Wohle von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren festlegt". Sie ist von Deutschland ratifiziert und am 5. April 1992 in unserem Land in Kraft getreten. "Sie wurde inzwischen nahezu universell ratifiziert und ist deshalb das Menschenrechtsinstrument mit der höchsten Akzeptanz durch die internationale Staatengemeinschaft. Die festgehaltenen Grundsätze verpflichten Staaten, sich für die Schaffung von Rahmenbildungen zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen einzusetzen."2

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Wichtige Fakten der Rede sind rot unterlegt.
"Kinder sind Träger von Grundrechten
Rede zu Kinderrechte umfassend stärken

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren wird kontrovers darüber diskutiert, ob wir Kinderrechte in das Grundgesetz aufnehmen sollen. Das 25-jährige Jubiläum der UN-Kinderrechtskonvention bietet nun einmal mehr Gelegenheit, darüber zu diskutieren, und ist Anlass für die Anträge der Opposition.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht reden! Machen!)

Was da beantragt wird, hört sich zunächst einmal gut an: „Kinderrechte ins Grundgesetz!“ – Was, die stehen da noch nicht drin? Das kann doch nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das stimmt!)

Aber beim Durchlesen des Antrages stellt man sich, wenn man sich genau mit dem Verfassungsrecht beschäftigt hat, die Frage: Ist es denn wirklich so? Sind Kinder bei uns in Deutschland verfassungsrechtlich noch nicht ausreichend abgesichert?

(Svenja Stadler [SPD]: Ja! – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Ja, so ist es!)

Wenn man sich ein bisschen mehr mit der Verfassung beschäftigt, erkennt man, dass Kinder natürlich Träger von Grundrechten sind;

(Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Eigenständige Rechte!)

das wird hier nicht oft genug betont, aber es ist so. Sie sind Träger des Grundrechts auf Menschenwürde, Artikel 1 Grundgesetz. Sie sind Träger des Grundrechts auf Leben und Gesundheit, Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz; das ist relevant, wenn Kinder zu Hause verletzt werden. Sie sind Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts; das wird immer wieder angeführt. Sie sind nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts inzwischen sogar Träger des Rechts auf Pflege und Erziehung durch die Eltern aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz. Die Rechtsprechung hat also schon sehr viel entwickelt; es gibt da sehr viel. Kinder sind Menschen, und sie haben dieselben Grundrechte wie Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Ehrlich?)

Ja, weil Sie so tun, als seien Kinder bei uns in der Verfassung nicht ausreichend geschützt. So ist es eben nicht.

(Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Ich frage mich: Wenn wir jetzt anfangen, Kindern besonderen Schutz zuzugestehen, kommen dann nicht auch die Senioren, kommen dann nicht zu Recht auch die Behinderten und sagen: „Auch wir möchten einen besonderen Schutz bekommen“?

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Ich will auch noch mehr!)

Kommt dann nicht – zu Recht – die nächste Gruppierung?

(Ulli Nissen [SPD]: „Gruppierung“? – Weiterer Zuruf von der SPD: Kinder sind doch keine Gruppierung!)

Genau darum geht es. Das ist mit dem System der Grundrechte, so wie es derzeit angelegt ist, nicht vereinbar.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE], an die SPD gewandt: Habt ihr einen tollen Koalitionspartner!)

Wissen Sie, ich habe ein Jahr Verfassungsrecht gemacht, mich ein Jahr mit Artikel 6 Grundgesetz beschäftigt.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Na, dann müssten Sie sich ja eigentlich auskennen! – Wie toll!)

Nein, aber die, die das fordern, haben sich meistens eben nicht so tief eingearbeitet. Deshalb würde ich Ihnen gern kurz sagen, was da drinsteht.

Es gibt in der Verfassung eine zentrale Norm, in der das Verhältnis Kinder/Eltern/Staat geregelt ist. Dafür gibt es auch einen Grund; den erzähle ich Ihnen nachher. Wenn ich Sie jetzt fragen würde, würden Sie ihn nämlich wahrscheinlich nicht kennen.

(Susann Rüthrich [SPD]: Ja, wir sind alle zu blöd dazu! – Stefan Schwartze [SPD]: Danke, Frau Dozentin!)

Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz besagt:

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern – das natürliche Recht! – und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.

Das heißt, die Eltern sind in der Pflicht. Das ist also nicht nur das einseitige Recht der Eltern, sondern es ist ein dienendes Recht im Interesse des Kindes. Entscheidend ist das Kindeswohl. Wenn Sie sagen: „Wir brauchen das Kindeswohl“, antworte ich Ihnen: Da steckt es drin. Das Bundesverfassungsgericht sagt das schon die ganze Zeit.

In Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz geht es wie folgt weiter – Satz zwei –:

Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Genau das ist der Unterschied, den wir hier haben: Es erfolgt eine Kontrolle durch den Staat. Die Eltern haben das natürliche Recht und die Pflicht, die Interessen der Kinder wahrzunehmen. Der Staat darf dagegen nur wachen und nicht von vornherein bestimmen, was das Kindesinteresse ist.


(Susann Rüthrich [SPD]: Was ist das Interesse des Kindes?)

Der Staat darf eingreifen – es gibt aber Gegenrechte, zum Beispiel das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes –, und er darf sogar – Artikel 6 Absatz 3 des Grundgesetzes – das Kind von den Eltern trennen, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn das Kind zu verwahrlosen droht. Glauben Sie mir: In der Praxis passiert es nicht selten, dass die Eltern versagen und man ihnen die Kinder wegnehmen muss. Weil es Kinderrechte gibt, dürfen Kinder auch jetzt schon den Eltern weggenommen werden.

Wir haben ein ausdifferenziertes System, und das funktioniert. Sie wollen mir doch nicht im Ernst sagen, dass alle Kinder bei uns schrecklich leiden.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Glauben Sie, dass wir die Kinder als Objekte betrachten? Mannomann! – Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen wir doch auch gar nicht!)

Der Rechtsprechung gelingt es hier, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen.

Ich möchte jetzt noch einmal ganz kurz sagen, warum sich diejenigen, die die Verfassung geschrieben haben, für diesen Ausgleich entschieden haben: Sie haben sich für diese Gestaltung entschieden, weil man während der NS-Diktatur entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Damals war es üblich, die Kinder den Eltern wegzunehmen und sie, wann man wollte, von morgens bis abends fremdzubetreuen und zu indoktrinieren. Glauben Sie es mir: Genau das ist der Grund, warum diejenigen, die die Verfassung geschrieben haben, den Artikel 6 Absatz 2 so verankert haben, wie er ist.

(Unruhe)

Ich weiß, dass Sie es nicht wissen, sonst würden Sie sich nicht so aufregen. Die Eltern sollen ein bisschen Freiheit haben, und der Staat soll nicht diktieren, was das Wohl des Kindes ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist mein Problem:

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ich glaube, das ist nicht Ihr einziges Problem!)

Was wollen Sie mit Ihrem Antrag? Wollen Sie, dass wir einfach nur eine schöne Symbolpolitik machen, die man gut verkaufen kann, nach dem Motto: Kinderrechte jetzt auch ins Grundgesetz?

(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Für die Symbolpolitik sind Sie gerade zuständig!)

Nein, Sie haben es nicht verstanden.

(Lachen bei der LINKEN)

Wollen Sie nur eine Symbolpolitik? Die haben wir jetzt schon. Wollen Sie, dass der Staat mehr in die Pflicht genommen wird? Oder wollen Sie – das ist der Grund, warum ich bezüglich dieses Antrags Angst habe –, dass wir noch mehr Gegenrecht – Kinder gegen Eltern – haben?

Wer bestimmt das Recht der Kinder? Der Staat? Wollen Sie, abgesehen von all den Einschränkungen des Elternrechts, die wir jetzt schon haben, dass jemand vom Schreibtisch aus alles besser weiß und bestimmt? Ich will das nicht.

(Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Wir reden über Beteiligung! Nicht über Diktatur! Das ist etwas anderes!)

Ich kann es nicht mehr hören, dass man von morgens bis abends immer nur sagt, Fremdbetreuung sei das einzig Wahre.

(Sönke Rix [SPD]: Wer sagt das denn? Wer hat das denn gesagt? – Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht zugehört?)

Glauben Sie es mir: Wir brauchen auch ein bisschen Freiheit für die Eltern. Geben Sie sie ihnen, und lassen Sie es sein.

(Sönke Rix [SPD]: Wer hat das denn gesagt? – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Sie haben einen falschen Antrag!)

Ich habe einfach Angst, dass hier eine weitere Stärkung wieder dazu genutzt wird, um gegen die Eltern zu schießen. In diesem Zusammenhang sage ich: Denken Sie noch einmal darüber nach. Ich weiß, es ist 70 Jahre her. Viele wissen es nicht mehr. Wehret den Anfängen! Es gibt einen Grund, warum der Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes so aussieht, wie er aussieht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stefan Schwartze [SPD]: Manche Redebeiträge tun körperlich weh! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Realität! Wir sind in der heutigen Zeit! – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Jetzt wird es hart! Das geht hart an die Grenze!)"3

Fußnoten:
  1. Dr. Silke Launert, Rede 25.09.2015 , https://www.cducsu.de/themen/familie-fr ... undrechten, zuletzt aufgerufen am 28.09.2018
  2. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Netzwerk zur Umsetzung der UN Kinderrechtekonvention, https://www.netzwerk-kinderrechte.de/un ... ntion.html, zuletzt aufgerufen am 28.09.2018
  3. Dr. Silke Launert, Rede 25.09.2015 , https://www.cducsu.de/themen/familie-fr ... undrechten, zuletzt aufgerufen am 28.09.2018
  4. Dr. Silke Launert, Rede 25.09.2015, YouTube, https://www.youtube.com/watch?v=uOAWP4NJQro, zuletzt aufgerufen am 01.04.2022
Wortzählung: 1663


Zuletzt als neu markiert von kjh-mov am Di 20. Nov 2018, 18:38.
"Wer nichts weiß, muss alles glauben."
Marie von Ebner-Eschenbach

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